Wunsiedel 2021 – Für eine antifaschistische Praxis!
Die Neonazis vom „III. Weg“ wollen am Samstag, den 13.11. durch Wunsiedel marschieren, um ihr sogenanntes “Heldengedenken” zu begehen. Wie (fast) jedes Jahr zeigen sie dort ihre menschenverachtende Gesinnung, sie versuchen Geschichte umzudeuten und Täter zu Opfern zu machen. Auch dieses Jahr wollen sie die widerwärtige Inszenierung eines Trauermarsches nutzen, um ihr Fascho-Ego aufzubauen, inneren Zusammenhalt und äußere Stärke vorzugeben. Letztes Jahr wurde das “Heldengedenken” kurzfristig abgesagt, weil sie befürchteten, sich unter den Maßnahmen zur Eindämmung der Covid19 Pandemie nicht wie gewünscht inszenieren zu können. Wir haben keine Pause gemacht, wir haben diese Zeit genutzt, um uns vorzubereiten, uns zu vernetzen und diese elendige Nazitradition dieses Jahr endgültig zu vermiesen.
Deutschland, Wunsiedel und seine Nazis
Im November dieses Jahres jährt sich die Selbstenttarnung des NSU zum zehnten Mal. Der NSU-Komplex ist aber nicht annähernd aufgeklärt. Im Gegenteil – Akten wurden vernichtet und weggesperrt, Behörden und Verantwortliche haben keine Konsequenzen zu spüren bekommen und der Verfassungsschutz existiert noch immer. Und so bleiben auch zehn Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU viele Fragen zu Verstrickung behördlicher Organe mit dem NSU-Komplex unbeantwortet. Was wir allerdings wissen ist, dass rechter Terror und der fehlende Umgang damit in Deutschland eine lange Tradition haben. Unzählige rechte Anschläge machen es mehr als deutlich – es sei nur Halle, Hanau, München und der Mord an Walter Lübcke genannt: Der NSU-Komplex ist kein Einzelfall, rechte Netzwerke und rechter Terror sind auch heute eine immanente Gefahr in Deutschland. Rassismus, Antisemitismus und Antifeminismus sind tief in dieser Gesellschaft verankert und so verwundert es kaum, dass der Aufschrei ausbleibt, wenn sich rechte Gruppierungen vernetzen, ihre Ideologie verbreiten, sich bewaffnen, Pläne schmieden und Angriffe starten. Der Aufschrei findet erst dann statt, wenn es bereits zu spät ist – wenn Menschen getötet werden. Der Umgang mit rechtem Terror, die fehlende Aufarbeitung und Aufklärung des rechten Terrors und die ausbleibende Gegenwehr der Mehrheitsgesellschaft sind ein Zeichen der Ermächtigung für Neonazis und RechtsterroristInnen.
Auch Wunsiedel ist ein Ort der Ermächtigung von Neonazis. Wunsiedel hat eine lange Geschichte von Aufmärschen militanter Neonazis. Seit den späten 1980er Jahren findet dort, mit Unterbrechungen, ein alljährliches Treffen von Neonazis und RechtsterroristInnen aus ganz Europa statt. Der Höhepunkt war erreicht als 2004 über 7000 Neonazis durch Wunsiedel marschierten. Auch wenn die TeilnehmerInnenzahlen der 1990er und 2000er Jahre bei weitem nicht mehr erreicht werden, marschierten in den letzten Jahren nach wie vor ca. 200 Hardcore-FaschistInnen und RechtsterroristInnen durch das Dorf. Die Organisation des inzwischen sogenannten „Heldengedenkens“ dominierte seit den 2010er Jahren vor allem die Neonazi-Kameradschaft „Freies Netz Süd“. Nach ihrem Verbot war es die neonazistische Kameradschaft „Der III. Weg“, die die Täter des nationalsozialistischen Vernichtungskriegs verherrlichen und Kriegsverbrecher wie Rudolf Heß als Märtyrer glorifizieren. Für die Neonaziszene ist Wunsiedel ein wichtiges Event, um in der Dunkelheit der Nacht, mit Fackeln und vor Pathos triefender Wagner-Musik den Nationalsozialismus zu verherrlichen und Geschichtsrevisionismus zu betreiben. Allerdings gibt es neben dieser martialischen Außenwirkung eine weitere wichtige Funktion: Die Funktion der Vernetzung und Selbstermächtigung. Sie inszenieren ein Gemeinschaftsgefühl und transportieren das Moment einer geeinten Rechten. Und obwohl es in den letzten Jahren weniger Neonazis geworden sind, die sich hier jedes Jahr versammeln ist deren Gefahr und der ideologische Wert von Wunsiedel für die Neonaziszene keinesfalls zu unterschätzen.
Der NSU war nicht zu dritt – Neonazis und ihre Netzwerke
Die Tragweite der Neonazi-Aufmärsche in Wunsiedel wird deutlich, wenn wir betrachten, wer an ihnen teilnimmt. So waren Anfang der 2000er Jahren auch die Kernmitglieder des NSU-Komplex unter den Teilnehmenden der „Rudolf-Heß-Gedenkmärsche“ und auch in den letzten Jahren waren bekannte RechtsterroristInnen in Wunsiedel zu Gast. Neben Neonazis aus Süd- und Ostdeutschland marschieren hier auch Rechtsterroristen wie Karl-Heinz Statzberger und Thomas Schatt, die ein Sprengstoffattentat auf ein jüdisches Gemeindezentrum durchführen wollten. Beide wurden wegen der Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung verurteilt. Aber auch Maik Eminger, führendes Mitglied der rechtsextremen Kameradschaftsszene in Brandenburg und der Bruder von André Eminger – bekannt als einer der wichtigsten Unterstützer des NSU. Ein weiteres Beispiel wäre Matthias Fischer (stellvertretender Bundesvorsitzender des III. Weg), der zum Zeitpunkt des Abtauchens des NSU-Kerntrios auf der zentralen Kontaktliste vermerkt war. Dieser wiederum hat Kontakt zu Susanne Gemeinhardt-Seitz, die im Sommer dieses Jahrs unter anderem wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde. Die III. Weg Aktivistin wurde verurteilt, weil sie Menschen mit dem Tod bedrohte und Brandanschläge auf Geflüchtetenunterkünfte und Moscheen vorbereitete. In ihrem Auto wurden Gegenstände gefunden, die zum Bau von potenziell tödlichen Brandsätzen geeignet waren. Bei der Durchsuchung ihrer Wohnung wurden zahlreiche Waffen und unter anderem eine Patrone aus Polizeibeständen gefunden. Auch sie stand als Einzeltäterin vor Gericht, obwohl sie als III. Weg Parteimitglied bestens in der Neonaziszene vernetzt und eingebunden ist. So pflegt sie enge, freundschaftliche Kontakte zu NSU-Unterstützern wie Ralf Wohlleben und André Eminger. Mit dem Parteivorsitzenden des III. Weg, Klaus Armstroff, fuhr sie gerne zum Schießen auf Schießstände hinter der tschechischen Grenze. 2019 sogar direkt im Anschluss an das neonazistische “Heldengedenken” in Wunsiedel. Nicht zuletzt am Umgang mit rechtem Terror, Neonazi-Netzwerken und RechtsterroristInnen zeigt sich – wir können uns bei der Bekämpfung rechter Umtriebe nicht auf den Staat und seine Institutionen verlassen.
Nicht hinsehen hilft nicht gegen rechten Terror!
Wir wollen uns Neonazis, ihren Traditionen und ihrer Selbstermächtigung in den Weg stellen. Wir wollen sie nicht nur aus unserem Blickfeld verbannen. Wir wollen ihre Selbstinszenierung stören, ihren Aufmarsch verhindern. Das Gefühl der Stärke und Ermächtigung lassen wir nicht weiter zu! Wir fordern einen antifaschistischen Konsens, eine Gesellschaft frei von faschistischer Gefahr und autoritärer Herrschaft. Daher wollen wir nicht nur ein Zeichen setzen, sondern haben das klare Ziel: direkt intervenieren und das ganze Nazispektakel verhindern – uns gemeinsam und erfolgreich den Nazis in den Weg stellen. Laut, gemeinsam, vielfältig und kreativ. Egal ob in Wunsiedel, Erfurt, Bamberg, Berlin oder sonst wo.
Deshalb rufen wir euch dazu auf, am 13. November mit uns in die oberfränkische Provinz zu fahren! Lasst uns gemeinsam den Naziaufmarsch sabotieren, blockieren und angreifen – für eine antifaschistische Praxis!